Wie oben dargestellt wurde, hat das Brachymedial bei sonst sehr gutem Korrektionszustand den Nachteil, dass die die CVD nicht korrigierbar ist, so dass das über einen größeren Spektralbereich nutzbare Bildfeld sehr klein ist.
1998 habe ich aber eine Möglichkeit gefunden, diesen Mangel des Brachymedials zu beheben, und damit eine neue Teleskopklasse mit herausragenden Eigenschaften zu entwickeln. Es ist mir gelungen, nicht nur den Farbquerfehler zu beseitigen, sondern gleichzeitig auch alle anderen Fehler 3. Ordnung nicht nur zu minimieren, sondern sogar vollständig zu korrigieren, ebenfalls bei ausschließlicher Verwendung von Kugelflächen und bei gleicher Glassorte für alle Linsen. Da außerdem die Fehler höherer Ordnung sehr klein sind, lassen sich sehr hohe Lichtstärken und ein großes Bildfeld erreichen. Tatsächlich lässt sich bis zu einem Bildfeld von ca. 5° die Bildqualität eines Schmidtspiegels erreichen, was auch heute noch für Astrographenanwendungen sozusagen das Maß aller Dinge darstellt. Dies wurde erreicht bei ausschließlicher Verwendung von leicht herstellbaren Kugelflächen mit einer Baulänge, die nicht größer als die Brennweite ist und mit planem Bildfeld, welches auch noch gut zugänglich außerhalb des optischen Tubus platziert werden kann. Zum Vergleich: die Baulänge der Schmidtkamera ist doppelt so groß wie die Brennweite, die Bildfläche ist stark gekrümmt und liegt schwer zugänglich mitten im Tubus, die Korrektionsplatte ist asphärisch und nicht leicht in guter Qualität herstellbar.
Der Grundgedanke für diese Verbesserung war, beim Brachymedial eine weitere Linse aus gleichem Glas an dem Ort vorzusehen, an dem ein durch die erste Linse farbzerstreuter Strahl einer beliebigen Einfallshöhe durch den Korrektor wieder zu einem farbfreien Punkt zusammengeführt wird. Wenn die Brechkraft dieser Linse so groß ist, dass der Strahl nach Verlassen der Linse nicht wieder farbdivergiert, haben alle Farben die gleiche Brennweite, d.h. der Farbvergrößerungsfehler ist behoben.
Natürlich war nicht von vornherein klar, dass die guten Eigenschaften des Brachymedial auch mit der zusätzlichen Linse noch zu erreichen waren. Beim versuchsweisen Optimieren solcher Systeme mit Hilfe meiner damaligen Version von PointSpread gelang es mir aber, von vielen unterschiedlichen Ansätzen ausgehend, in allen Fällen sehr gut korrigierte Systeme zu erhalten.
Durch diesen Erfolg ermutigt, habe ich dann das System theoretisch bezüglich der Bildfehler 3. Ordnung für den Fall dünner Linsen untersucht. Es gelang mir zu zeigen, dass farbfehlerfreie Systeme ohne Bildwölbung existieren, bei denen mittels Durchbiegung der Frontlinse und der zusätzlichen Feldlinse Öffnungsfehler und Astigmatismus behoben werden können. Dieser Ansatz ist vollständig analytisch lösbar, so dass nach Vorgabe der Systemgeometrie und des Brechungsindex die Radien aller Linsen und die Restfehler von Koma und Verzeichnung erhalten werden. Wie im Ansatz vorausgesetzt sind Farblängsfehler und Farbquerfehler, sowie Öffnungsfehler, Astigmatismus und Bildwölbung in 3. Ordnung behoben.
Damit blieb noch die Frage nach der Korrekturmöglichkeit des Komafehlers. Ein charakteristischer freier Parameter des neuen Systems ist die Einfallshöhe der Strahlen an der Manginlinse. Durch Variation dieses Parameters kann die Koma beeinflusst werden. Die unglaubliche Überraschung bei der Untersuchung aller denkbaren Systemgeometrien war, dass für praktisch beliebige Geometrien und für fast beliebige Brechungsindizes eine auch komafreie Lösung existiert. Außerdem verschwindet für eine bestimmte Klasse von Geometrien auch noch die Verzeichnung. Doch das war noch nicht alles: auch nach Einführung der realen Linsendicken und bei Berücksichtigung der Fehler höherer Ordnung blieb diese praktisch uneingeschränkte Lösbarkeit bei allen denkbaren Systemansätzen erhalten!
Etwa ein Jahr nach diesem ersten Durchbruch konnte ich auch die Theorie für die Cassegrain-Version dieses Systems mit gleichem Erfolg entwickeln. Auch dieser Teleskoptyp braucht den Vergleich mit bekannten Systemen nicht zu scheuen, außer Flatfield-Astrographen (sogar verzeichnungsfrei bei günstiger Geometrie) lässt sich eine neue Klasse von Cassegrain-Teleskopen für visuelle Beobachtung realisieren, die den vergleichbaren Schmidt-Cassegrain- oder Maksutov-Cassegrain-Teleskopen in der Bildqualität überlegen sind. Raymond M. Wilson, einer der profiliertesten Optikexperten der letzten Jahrzehnte, unter anderem maßgeblich an der Entwicklung der aktiven Optik und des NTT der ESO beteiligt, hat die neuen Teleskopsysteme in die zweite Auflage seines Werkes 'Reflecting Telescope Optics I' aufgenommen. Wegen der formalen Ähnlichkeit mit dem Cooke-Triplet habe ich das Primärfokus-System Medial Triplet genannt. Die Cassegrain-Version des Medial Triplet nenne ich kurz Medial Cassegrain. Auf dieser website werden Beispiele beider Teleskoptypen im Vergleich zu bekannten Systemen vorgestellt.
Von beiden Medialgrundtypen lassen sich außerdem auf einfache
Weise obstruktionsfreie Versionen ableiten. Der Grund dafür ist, dass die
neuen Medialsysteme ausschließlich aus sphärischen Flächen aufgebaut sind, so
dass auch die außeraxialen Bereiche solcher Teleskope sphärisch sind. Ein
Beispiel solcher Lösungen habe ich
Medial Apo genannt, da es zumindest in der theoretischen
Bilddefinition mindestens Apo-Qualität hat.
Die Frage 'Wieso Medial?' lässt sich also auch so beantworten:
Die neuen Medial-Typen können bei einer besser als
apochromatischen Farbkorrektion
alle fünf Bildfehler 3. Ordnung vollständig
korrigieren. Der Aufwand hierfür ist minimal,
für das Triplet genügen drei optische Elemente aus
preiswertem Glas, für die ausschließlich
Kugelflächen benötigt werden. Das Cassegrain hat zusätzlich noch
einen sphärischen Sekundärspiegel. Die Restbildfehler höherer Ordnung sind bei
beiden Typen so klein, dass außerordentlich große
Lichtstärken und Bildfelder erreicht werden.
Die Summe dieser Eigenschaften wird von keinem anderen Teleskopsystem
erreicht.